Warum werden Tierversuche für Konsumgüter durchgeführt?
Tierversuche werden aus unterschiedlichen Gründen durchgeführt. Schweizer und europäische Gesetze, Verordnungen und Richtlinien fordern zum Beispiel Tierversuche, um die Sicherheit von Produkten für Menschen und die Umwelt zu gewährleisten. Doch dazu sind Tierversuche nur bedingt in der Lage. Daneben werden Versuche durchgeführt, die gesetzlich gar nicht verlangt sind, zum Beispiel um Produkte zu entwickeln, zu verbessern und zu testen. So werden beispielsweise verschiedene Sorten von Tiernahrung verglichen, um herauszufinden, welche Sorte die Tiere bevorzugen. In der Produktentwicklung reichen Tierversuche von Sicherheits- bzw. Giftigkeitstest chemischer Stoffe (zum Beispiel solche, die auch in Kosmetika und Haushaltsmitteln vorkommen) bis hin zu Sicherheits- und Wirksamkeitstests für die Zulassung von Arzneimitteln.
Machen Tierversuche Sinn?
Neben den Schmerzen und Leiden, die den Tieren zugefügt werden, belegen zahlreiche wissenschaftliche Studien, dass Tierversuche fehlerhaft sind und keine zuverlässigen Vorhersagen über die Wirkung und Sicherheit einer Substanz beim Menschen erlauben. Die Unterschiede zwischen den in Versuchen verwendeten Tieren und dem Menschen sind schlicht zu gross. Selbst bei Mäusen und Ratten wirken Substanzen oftmals komplett unterschiedlich. [1, 2, 3]
Viele der von den Behörden geforderten Tierversuche sind mehr als ein halbes Jahrhundert alt. Einige der Tests liefern bei Wiederholungsversuchen mit derselben Chemikalie lediglich in 57 Prozent der Fälle das gleiche Ergebnis. [1] Das ist kaum besser, als eine Münze zu werfen. Dazu kommen noch die biologischen Unterschiede zwischen Mensch und Tier. [3, 4]
Welche Tierversuche werden für Konsumgüter durchgeführt?
Bei den meisten Tierversuchen für Konsumgüter und deren Inhaltsstoffe handelt es sich um sogenannte Toxizitätsprüfungen. Diese Tests, für die es in vielen Fällen bereits tierfreie Methoden gibt, sollen die Giftigkeit von Chemikalien untersuchen, um beispielsweise entsprechende Warnhinweise auf Haushaltsreinigern anbringen zu können. Viele dieser Tierversuche wurden vor über einem halben Jahrhundert entwickelt, und es wurde nie wissenschaftlich untersucht, inwieweit sie gesicherte Voraussagen bezüglich der Wirkungsweise einer Chemikalie auf den menschlichen Organismus bieten können. Anhand der folgenden Tierversuche, die in Europa und/oder der Schweiz für Konsumgüter durchgeführt werden, wird deutlich, warum Tierversuche nicht das Mittel der Wahl sein sollten.
Augen-/Hautirritation und -verätzung
Bei diesen in den 1940er-Jahren entwickelten Tests werden Substanzen direkt in die Augen oder auf die rasierte Haut der Tiere, meist Kaninchen, aufgetragen. [5] Die Stoffe können zu Rötungen, Schwellungen, Schmerzen, Geschwüren, Trübung und Blindheit führen. Auch das umliegende Gewebe kann absterben. Sind die Schädigungen nicht permanent, können die Tiere in einem späteren Test wiederverwendet werden, ansonsten werden sie getötet. Diese Experimente führen jedoch immer wieder zu fehlerhaften Ergebnissen, denn das Kaninchenauge unterscheidet sich wesentlich vom Auge des Menschen. Auch ist die Haut von Kaninchen wesentlich durchlässiger als die menschliche Haut. Ein Vergleich der Ergebnisse von Hauttests an Kaninchen mit Hautpflastertests am Menschen für 65 Substanzen hat aufgezeigt, dass 45 Prozent der Einstufungen des Hautirritationspotenzials auf der Grundlage der Kaninchentests falsch waren. [6]
Hautsensibilisierung
Beim lokalen Lymphknoten-Assay wird eine Testsubstanz auf die Ohren von Mäusen aufgetragen. Die Tiere werden anschliessend getötet, der Lymphknoten im Bereich des Ohrs wird entfernt und die Immunreaktion der Mäuse gemessen. [7] Bei einem anderen Tierversuch, dem Meerschweinchen-Maximierungstest, wird eine Substanz unter die Haut von Meerschweinchen injiziert, um allergische Reaktionen zu beobachten. Dieser Test kann zu Juckreiz, Entzündungen, Geschwüren und sonstigen Schmerzen führen. [8]
Karzinogenität
In einem einzigen Test werden Hunderte von Ratten oder Mäusen gezwungen, eine potenziell krebserregende Substanz zu schlucken oder einzuatmen (bis zu sechs Stunden pro Tag). Alternativ wird sie den Nagern injiziert oder auf die Haut aufgetragen. Die Tiere sind der Substanz bis zu zwei Jahre lang ausgesetzt, bevor sie getötet und auf Anzeichen von Krebs, wie abnormale Zellen oder Tumorbildung, untersucht werden. Eine Überprüfung der vorhandenen Daten deutet darauf hin, dass Experimente mit Mäusen oder Ratten oft nicht genau vorhersagen, ob eine Substanz beim Menschen Krebs verursacht. [9] Darüber hinaus haben Studien gezeigt, dass Wiederholungen des Experiments mit der gleichen Chemikalie nur in 57 Prozent der Fälle das gleiche Resultat liefern. [1]
Fortpflanzungs- und Entwicklungstoxizität
Bei diesen Tests wird versucht, die Wirkung einer Substanz auf die Fortpflanzungsfähigkeit eines Tieres und auf die Entwicklung der Nachkommen zu beurteilen. [10] Hunderte von Nagetieren, meist Ratten, werden mehrere Wochen vor der Paarung gezwungen die Testsubstanz einzunehmen oder einzuatmen. Sowohl die Fruchtbarkeit der erwachsenen Tiere als auch das Wachstum, das Überleben und die Entwicklung der Nachkommen (zum Beispiel Missbildungen) werden untersucht. In Zwei-Generationen-Studien werden die Nachkommen der ersten Generation aus Fruchtbarkeitsstudien gepaart, um die Auswirkungen einer Substanz auf die Fruchtbarkeit und Toxizität der Tierkinder der zweiten Generation zu beobachten. Der Zwei-Generationen-Test erhöht die Anzahl der Tiere, die in diesen Tests verwendet werden, und setzt sie über längere Zeiträume potenziell schädlichen Substanzen aus.
Tierversuche für Chemikalien
Chemikalien sind überall enthalten – ob in Farben, Kleb- oder Kunststoffen, Lebensmittelzusatzstoffen, Reinigungs- und anderen Hausmitteln oder in Textilien. Die Schweizer Chemikalienverordnung ist grösstenteils mit der REACH-Verordnung der EU harmonisiert, welche Unternehmen verpflichtet, Daten über mögliche Auswirkungen von Chemikalien auf Mensch und Umwelt vorzulegen. Hierfür werden oft die oben gennannten Tierversuche gefordert. Eigentlich gestattet REACH dies nur als letzte verbleibende Möglichkeit, wenn es keine Alternativen gibt – doch alleine bis 2018, also nach 10 Jahren REACH, wurden 2,2 Millionen Tiere verwendet, und seither weitere Abertausende mehr.
Wer beim Kauf von Waschmittel oder Badreiniger Produkte meiden möchte, die mit Tierleid verbunden sind, der kann sich auf der Website von PETA Deutschland über tierversuchsfreie Hersteller von Wasch- und Reinigungsmitteln informieren.
Tierversuche für Kosmetik
Tierversuche für Kosmetika sind in der Schweiz indirekt verboten: Grundsätzlich gelten kosmetische Mittel nicht als unverzichtbar, und Tierversuche für Kosmetika dürfen daher nicht durchgeführt werden [11] Dennoch ist nicht jeder in der Schweiz erhältliche Kosmetikartikel tierversuchsfrei: Unter der Europäischen Chemikalienverordnung REACH sind Tierversuche – zum Teil auch für rein kosmetische Inhaltsstoffe – weiterhin erlaubt und werden von der Europäischen Chemikalienagentur ECHA teils sogar explizit verlangt. Dies steht im Widerspruch zur ebenfalls in der EU geltenden Kosmetikverordnung, die Tierversuche für Kosmetika eigentlich verbietet.
In China hingegen sind Tierversuche für viele Kosmetikprodukte vorgeschrieben. Auch in den meisten Ländern ausserhalb der Schweiz und der EU sind die Experimente weiterhin erlaubt. Hersteller, die ihre Kosmetika auf dem chinesischen Markt anbieten wollen, müssen die vorgeschriebenen Tierversuche für ihre Produkte daher akzeptieren. Obwohl diese Produkte damit nicht mehr tierversuchsfrei sind, dürfen sie in der Schweiz und der EU verkauft werden.
Die offizielle Liste von PETA Deutschland zu tierversuchsfreier Kosmetik bietet Ihnen eine umfassende und zuverlässige Übersicht aller Hersteller, die ihre Produkte nicht an Tieren testen oder testen lassen.
Tierversuche für Lebensmittel und Getränke
Nur für wenige Lebensmittel gibt es behördlich vorgeschriebene Tests. Einer davon ist der Schalentier-Toxizitätstest. [12] Hierbei werden Schalenweichtiere, wie zum Beispiel Muscheln, im Mixer zerkleinert. Die entstandene Substanz wird in den Bauch von Mäusen injiziert, dann wird beobachtet, ob und wann die Mäuse sterben. Das Experiment wird stichprobenweise durchgeführt, da Schalenweichtiere für den Menschen giftig sein können.
Für einige Lebensmittel wie Müsli, Pasta, Tee u. a. werden aber Tierversuche durchgeführt, die in der Schweiz, der EU und vielen anderen Ländern weltweit nicht vorgeschrieben sind. Manche Hersteller entscheiden sich für die schmerzhaften Experimente, nur um mit «wissenschaftlichen» Studien für ihre Produkte werben zu können, etwa dass ein bestimmter Nährstoff die Knochen- oder Augengesundheit unterstützt. Diese Versuche bieten jedoch keinen Nutzen für die menschliche Gesundheit, denn aufgrund der Speziesunterschiede zwischen Menschen und Tieren sind verlässliche Ergebnisse nicht realisierbar. Zudem werden die Tiere in solchen Versuchen oft mit unnatürlich hohen Mengen eines Stoffes zwangsernährt, die Menschen über ihre Nahrung in der Regel nicht aufnehmen.
Weitere Informationen und eine Übersicht zu Lebensmittelherstellern, die keine Tierversuche durchführen, finden Sie auf unserer Informationsseite zu Tierversuchen für Lebensmittel und Getränke.
Tierversuche für Tiernahrung
Wer sein Zuhause mit einem tierischen Mitbewohner teilt, der möchte seinen tierischen Freund auch gesund und artgerecht ernähren. Vielen Tierfreunden ist jedoch nicht bewusst, dass auch für Tiernahrung Experimente an Hunden und Katzen durchgeführt werden – zum Beispiel, um die beste Nahrungsmittelformulierung für ein glänzendes Fell zu bestimmen. Diese Tiere werden zum Teil speziell für Tierversuche gezüchtet und fristen ein trauriges Leben in Versuchslaboren. Im Verlauf der Experimente, die weder gesetzlich vorgeschrieben noch notwendig sind, werden sie teilweise gezielt krank gemacht oder sogar getötet.
Tierversuchsfreie Methoden
Immer mehr Hersteller lehnen Tierversuche heute ab und nutzen stattdessen die Vorteile tierversuchsfreier Testmethoden. Hierzu gehören unter anderem Zell- und Gewebekulturen, rekonstruierte, aus menschlichen Zellen gezüchtete Haut und Lungengewebe sowie computergestützte Simulationen, die eine Vorhersage der Aktivität einer Chemikalie beim Menschen ermöglichen. Für viele der oben genannten Tierversuche gibt es bereits zugelassene tierfreie Methoden, weitere befinden sich in der Entwicklung.
Im Gegensatz zu Tierversuchen erhalten Projekte zur Entwicklung und Validierung von tierversuchsfreien Methoden (z. B. für Chemikalien-Sicherheitstests) jedoch kaum finanzielle Förderung durch den Bund und andere Einrichtungen. Ein Bericht des Bundesrates von 2015 gibt an, dass pro Jahr 365’000 Schweizer Franken in Projekte fliessen, die Tierversuche ersetzen, reduzieren oder verbessern (3R) wollen. [13] Laut dem gleichen Bericht wurden jedoch allein im Jahr 2013 Tierversuche mit 118 Millionen Schweizer Franken vom Bund unterstützt. Eine weitere Hürde neben der unzureichenden finanziellen Förderung von tierfreien Testverfahren stellt auch die Dauer der Zulassung dar. So ist es ein langer Weg, bis eine tierfreie Methode offiziell anstelle eines Tierversuchs angewandt werden darf, denn tierfreie Verfahren müssen ein langwieriges Test- und Validierungsverfahren durchlaufen. Interessanterweise wurden solche Validierungsstudien für viele der üblicherweise angewandten Tierversuche nicht durchgeführt.
PETA und ihre internationalen Partnerorganisationen setzen sich seit vielen Jahren für die verstärkte Entwicklung tierfreier und für den Menschen relevanter Testmethoden und ihre Zulassung durch die Regulierungsbehörden ein. Tiere sind nicht dazu da, dass wir an ihnen experimentieren. Bitte unterstützen Sie die Kampagne «Wissenschaft statt Tierversuche» unserer Partnerorganisation PETA Deutschland und werden Sie Teil einer wissenschaftlichen Revolution!
Was Sie tun können
Für die Herstellung gesundheitlich unbedenklicher Erzeugnisse wie Kosmetika, Haushaltsmittel u. a. sind keine Tierversuche erforderlich. Bitte kaufen Sie keine Produkte, für die Tierversuche durchgeführt oder in Auftrag gegeben wurden, und bewerten Sie Werbeaussagen kritisch. Aufschriften wie «Dieses Unternehmen testet nicht an Tieren» können auch bedeuten, dass der Hersteller die Versuche möglicherweise von Dritten durchführen lässt. Auch die Aussage «Dieses Produkt wurde nicht an Tieren getestet» muss nicht bedeuten, dass das Produkt tierversuchsfrei ist, denn die Aussage gilt nicht automatisch für enthaltene Inhaltsstoffe oder andere Produkte der Firma. Bitte informieren Sie auch Freunde, Bekannte und Verwandte über die vorherrschenden Missstände in Versuchslaboren, die Misserfolgsquoten von Tierversuchen und den notwendigen systematischen Wechsel zu tierversuchsfreien Methoden.
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QUELLEN
[1] Gottmann, E., et al. Data Quality in Predictive Toxicology: Reproducibility of Rodent Carcinogenicity Experiments. Environmental Health Perspectives. 2001;109:509-514.
[2] Hartung, T. Toxicology for the twenty-first century. Nature. 2009;460:208-212.
[3] Wall RJ, Shani M. Are animal models as good as we think? Theriogenology. 2008;69(1);2-9.
[4] Pound P, Ritskes-Hoitinga M. Is it possible to overcome issues of external validity in preclinical animal research? Why most animal models are bound to fail. Journal of Translational Medicine. 2018;16(1):304
[5] M.K. Robinson et al. Non-Animal Testing Strategies for Assessment of the Skin Corrosion and Skin Irritation Potential of Ingredients and Finished Products. Food and Chemical Toxicology 40 (2002): 573–592.
[6] M.J. Bartek et al. Skin Permeability In Vivo: Comparison in Rat, Rabbit, Pig, and Man. Journal of Investigative Dermatology 58 (1972): 114–123.
[7] G.F. Gerberick et al. Local Lymph Node Assay (LLNA) for Detection of Sensitization Capacity of Chemicals. Methods 41 (2007): 54–60.
[8] B. Magnusson and A.M. Kligman. The Identification of Contact Allergens by Animal Assay. The Guinea Pig Maximisation Test. Journal of Investigative Dermatology 52 (1969): 268–276.
[9] K. Ennever and L.B. Lave. Implications of the Lack of Accuracy of the Lifetime Rodent Bioassay for Predicting Human Carcinogenicity. Regulatory Toxicology and Pharmacology 38 (2003): 52–57.
[10] AltTox. Toxicity Endpoints and Tests: Reproductive and Developmental Toxicity. http://alttox.org/mapp/toxicity-endpoints-tests/reproductive-developmental-toxicity/, (eingesehen am 04.02.2021)
[11] Das Schweizer Parlament: Verbot von Tierversuchen für Kosmetika, Reinigungs- und Haushaltsmittel, https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20154240, (eingesehen am 04.02.2021
[12] PETA Science Consortium International e.V. Shellfish Toxicity Testing. https://www.thepsci.eu/our-work/shellfish-toxicity-testing, (eingesehen am 04.02.2021)
[13] Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Bericht Bundesrat Postulat 12.3660: Zukunft der Stiftung Forschung 3R und Alternativmethoden für Tierversuche. https://www.blv.admin.ch/dam/blv/de/dokumente/tiere/publikationen-und-forschung/tierversuche/bericht-br-postulat-12-3660.pdf.download.pdf/Zukunft%20der%20Stiftung%20Forschung%203R%20und%20Alternativmethoden%20fuer%20Tierversuche.pdf, (eingesehen am 04.02.2021)