Pferde werden oftmals isoliert in engen, dunklen Boxen gehalten. Ihre Bedürfnisse werden häufig ignoriert, vielfach werden sie unter Druck dazu gebracht, sich entsprechend den Wünschen des Menschen zu verhalten. Im «Pferdesport» werden sie ausgebeutet und häufig zu Höchstleistungen gezwungen.
Doch die gute Nachricht ist: Es geht auch anders. In diesem Beitrag erhalten Sie 5 wertvolle Tipps für eine artgerechten Umgang mit Pferden – von angemessenem Auslauf über adäquaten Sozialkontakt bis hin zu vielseitigem Training. Auch das Thema «Pferdsport» wird kritisch beleuchtet.
1. Artgerechte Haltungsbedingungen der Tiere
Wie alle anderen Tiere haben auch Pferde das Recht auf ein unversehrtes Leben. Wenn wir Menschen uns nach reiflicher Überlegung für die Haltung eines Pferdes entscheiden, dann liegt es in unserer Verantwortung, ihm dieses Recht zuzugestehen. Dazu müssen wir als erstes seine Grundbedürfnisse erfüllen: Sozialkontakt zu Artgenossen, Bewegung an der frischen Luft, dauerhafter Zugang zu Nahrung und Wasser.
Als ausgesprochen soziale Herdentiere sollte Pferden immer die Möglichkeit geboten werden, in einer Gruppe zu leben oder direkten Kontakt zu Artgenossen zu haben. Am besten ist dies in einem Aktiv- oder Offenstall oder auf einer Weide mit grossem Unterstand möglich, in dem auch die rangniederen Pferde Platz finden. Befreundete Pferde spielen miteinander, grasen nebeneinander und kraulen sich gegenseitig das Fell. In Freiheit legen sie täglich Dutzende Kilometer zurück und unterbrechen ihre stundenlange Nahrungssuche nur für kurze Ruhepausen.
Durch geschickte Platzierung von Nahrungs- und Wasserstellen können sie animiert werden, diesem Bedürfnis nachzugehen. Die Tiere müssen selbstverständlich immer Zugang zu Wasser haben und sollten durchgehend Raufutter wie Heu, bzw. Gras aufnehmen können (Achtung: Pferde müssen langsam an die überwiegende Aufnahme von Gras gewöhnt werden!). Somit ist es besonders wichtig, dass Pferde genügend Platz haben, um ihren natürlichen Bedürfnissen nachgehen zu können.
Dennoch werden mehr als die Hälfte aller Pferde in der Schweiz artwidrig in engen Einzelboxen gehalten – vor allem «Sportpferde». In dieser Haltungsform sind die neugierigen Lauftiere durchschnittlich 22 Stunden am Tag allein in einem kleinen, teilweise fensterlosen Raum eingesperrt. Oft haben sie keinen Sichtkontakt zu Artgenossen oder sind durch Gitter getrennt. Nur zwei Mal pro Woche erhalten sie zwei Stunden «freie Bewegung» auf einer minimalen Fläche. [2] Oftmals führt der Mangel an Bewegung und sozialem Kontakt zu schweren Verhaltungsstörungen.
Heut gibt es moderne Boxenhaltungsformen, in denen die Tiere beispielsweise durchgängig Zugang zu einem Aussenpaddock haben. Somit können sie sich innen und aussen aufhalten und profitieren von direktem Kontakt zu Artgenossen, mehr Platz und Zugang zu frischer Luft.
Bei der Offenstallhaltung haben die Lauftiere die Möglichkeit, sich ausreichend an der frischen Luft zu bewegen. Im Gegensatz zur Boxenhaltung sind sie nicht auf wenigen Quadratmetern eingepfercht und müssen nicht ständig auf Beton- und Gitterwände starren. Ausserdem ist ein Austausch mit Artgenossen möglich. Neben stetigem Zugang zu frischem Wasser und ausreichend Raufutter bzw. Gras sollten auch Unterstände zugänglich sein, die vor Regen, starker Sonne und Wind schützen
Aktivställe zeichnen sich wie andere Offenställe dadurch aus, dass die Pferde in Herdenverbänden leben und durchschnittlich deutlich mehr Platz als in der klassischen Boxen- und Paddockhaltung haben. Die Nahrungsaufnahme wird oftmals individuell geregelt: Mit Chips, die zum Beispiel an Halsringen befestigt werden, haben die Pferde Zugang zu ihrer Nahrung, die nach ihren Bedürfnissen dosiert wird. Teilweise unterscheiden sich die Böden, um Abwechslung in der Bewegung und der Beanspruchung von Bändern und Muskulatur zu bieten. Wie in der Offenstallhaltung haben die Tiere hier Zugang zu regen- und windfesten Unterständen. Zudem werden gezielt Bewegungsanreize gesetzt, beispielsweise durch verschiedene Futterstationen entlang eines Trails, wodurch die Tiere viel in Bewegung sind und ihren natürlichen Verhaltensweisen nachkommen können. Neuer Text
Die Unterbringung Ihres Pferdes sollte auf die individuellen Bedürfnisse des Tieres ausgerichtet werden. Treffen Sie dabei stets die für Ihr Pferd beste Entscheidung. Eine reine Boxenhaltung ohne Kontakt zu Artgenossen oder Freilaufmöglichkeiten auf Paddocks und Weiden ist generell nicht artgerecht.
2. Pferde mit Achtsamkeit und Kreativität beschäftigen
Es gibt viele Möglichkeiten, um für zusätzliche Bewegung und Beschäftigung zu sorgen. Dazu gehören beispielweise ausgedehnte Spaziergänge oder gemeinsame Übungen am Boden wie Balance- und Körperübungen. Für die Gesundheit eines Pferdes ist es wichtig, dass Bänder, Gelenke und Sehnen nicht übermässig belastet werden und es ausreichend Muskeln aufbauen kann.
Finden Sie heraus, was dem Pferd Spass macht. Einige spielen gerne mit einem Gymnastikball, andere klettern gerne auf Podeste und üben sich in Balance oder machen sogar Spass daran, Gegenstände zu apportieren. Man kann Pferden sogar beibringen, verschiedene Objekte zu unterscheiden. Hierzu können Sie mit Ihrem Pferd üben, einen bestimmten Gegenstand anzustupsen. Nehmen Sie mit der Zeit weitere Objekte dazu und steigern Sie so nach und nach die Schwierigkeit. Viele Pferde freuen sich über geistige Herausforderungen!
Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt – solange das Pferd und Sie eine gut Zeit miteinander verbringen und vielleicht sogar die eine oder andere Herausforderung meistern.
3. Pferde gezielt belohnen
Als Tierfreund ist man mit dem Problem konfrontiert, dass im Umgang mit Pferden ein Training mittels Druck gang und gäbe ist. Sätze wie «Setz dich doch mal durch», «Lass dir das nicht gefallen» oder «Zeig ihm, wer der Chef ist» hört man oft.
Glücklicherweise geht es auch anders – über positive Verstärkung bzw. «Clickertraining». Während sich diese Methodik im Hundetraining erfreulicherweise etabliert hat, herrscht bei Pferden noch Nachholbedarf. Gleichwohl ist es wissenschaftlich untermauert, dass Lernen am effektivsten über Belohnung bzw. positive Verstärkung funktioniert.
Clickertraining funktioniert nach dem Prinzip, dass der Clicker (bzw. der Zungenklick oder ein für das Pferd eindeutiges Belohnungswort) das richtige Verhalten markiert und eine Belohnung ankündigt. Zeigen Sie dem Pferd kleinschrittig, dass es sich lohnt, geduldig zu warten – die leckere Belohnung kommt zu ihm, auch ohne betteln! Dazu ist es wichtig, im richtigen Moment zu belohnen. Machen Sie sich immer wieder bewusst, dass Sie das Verhalten bekommen, welches Sie verstärken. Achten Sie daher darauf, nur das zu belohnen, was Sie öfter sehen wollen – beispielsweise entspanntes und ruhiges Stehen, obwohl Sie Nahrung in der Hand haben.
Als Belohnung eignen sich zum Beispiel kleine Karottenstücke oder Heucobs (die zum Trockenfüttern geeignete Sorte). Noch ein wichtiger Hinweis: Für die Gesundheit von Pferden ist es massgeblich, dass die Tiere möglichst uneingeschränkten Zugang zu Raufutter haben – die Futterbelohnung ist ein zusätzlicher Bonus!
Ermöglicht man Pferden kleinschrittiges Lernen und begegnet ihnen mit Einfühlungsvermögen und Geduld, geht man eine Partnerschaft auf Augenhöhe ein, die weitere positive Auswirkungen hat: Die Tiere können ihre eigene Persönlichkeit entfalten und zeigen, was wirklich in ihnen steckt. Es gibt zu diesem Thema viele Bücher, Online-Materialien, Social-Media-Gruppen usw. Bitte besorgen Sie sich vorab ein paar Informationen. Dieser Blog soll vor allem als erste Inspiration dienen.
4. Pferde verstehen lernen
Es geht nicht darum, das Pferd in irgendeiner Weise zu dressieren oder ihm stupide Tricks beizubringen. Vielmehr lernen Sie, dem Pferd zuzuhören, seine Meinung wahrzunehmen und ihm diese auch zuzugestehen. Ein Zusammensein, das auf Freiwilligkeit statt auf Druck oder Zwang beruht, kann die Beziehung zwischen Ihnen und dem Pferd grundlegend verändern. Diese Art der Beschäftigung soll dem Pferd ermöglichen, frei von Druck oder Zwang zu lernen.
Wenn ein Pferd nicht das tut, was wir gerade wollen, hat das immer einen Grund: Entweder ist das Pferd körperlich nicht in der Lage, ein gewünschtes Verhalten zu zeigen. Möglicherweise versteht es uns nicht, oder alte Lernerfahrungen und Angst spielen eine Rolle. Deshalb sollte man seine Einstellung und das eigene Verhalten im Umgang mit dem Tier stets hinterfragen und gegebenenfalls ändern. Wenn das Pferd zum Beispiel Angst vor etwas hat, versuchen Sie doch mal, jeden Schritt der Annäherung zu belohnen, anstatt mit Druck zu arbeiten. Zeigen Sie Ihrem Pferd, dass Sie seine Emotionen wahrnehmen und beachten, anstatt sie zu übergehen und «sich durchzusetzen». Sie werden sehen, dadurch kann sich eine ganz neue Art von Beziehung zwischen Ihnen und Ihrem Pferd entwickeln.
Zögern Sie nicht, sich Unterstützung von professionellen Trainern zu holen, die nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und daher mit positiver Verstärkung arbeiten.
5. Pferdesport nicht unterstützen oder betreiben
Der lukrative «Pferdesport» ist mit erheblichem Tierleid verbunden, denn wirtschaftliche Interessen und das vermeintliche Prestige stehen vor dem Wohl der Tiere. In der Natur würden Pferde Menschen nicht auf ihren Rücken tragen, über hohe Hindernisse springen, sich vor eine Kutsche spannen, um Menschen durch die Gegend zu ziehen, oder mit anderen Pferden bis zur völligen Erschöpfung um die Wette galoppieren – ausser in extremen Fluchtsituationen. Im sogenannten Pferdesport zeigen die Tiere dieses Verhalten nur, weil sie dazu gezwungen und gefügig gemacht werden.
Unter anderem beim Dressur- und Springreiten, bei Kutschfahrten oder bei Pferderennen nutzen viele Reiter sogenannte Hilfsmittel, die Druck auf das Pferd ausüben oder ihm sogar bewusst Schmerzen bereiten, um seinen Willen zu brechen. Wird ein Pferd mit Sporen gestochen, der Gerte drangsaliert oder der Peitsche geschlagen, dann ist das eine unangenehme oder sogar schmerzhafte Situation. Das Tier weiss, dass die Schmerzen erst aufhören, wenn es sich dem Willen des Menschen beugt. Auch die berüchtigte Rollkur setzt Pferde massiv unter Zwang und kann sogar schädlich sein. Bei dieser Methode zieht der Reiter den Kopf des Pferdes mithilfe der Zügel, oft auch mit einem scharfen Gebiss, bis auf die Brust des Tieres, um es gefügig zu machen. Eine Studie hat nachgewiesen, dass Pferde bereits nach zehn Minuten Rollkur unter hohem Stress stehen. [1]
Alle genannten Methoden können bei den Tieren zu schweren körperlichen Verletzungen, gesundheitlichen Problemen und einer dauerhaften Panik- und Stresssituation führen. Auch die «Sportarten» an sich können schwere Verletzungen, wie Beinbrüche oder Aortenabrisse, verursachen. Sind die Pferde nicht mehr «brauchbar», beispielsweise aufgrund solcher «Sportverletzungen», landen sie nicht selten im Schlachthaus.
Was Sie tun können
Pferde sind nicht dazu da, uns Menschen zu unterhalten. Bitte besuchen Sie niemals Pferdesport-Veranstaltungen, wetten Sie nicht auf Pferde und betreiben Sie keinen «Pferdesport» – denn die Bedürfnisse der Tiere bleiben hierbei meist unberücksichtigt.
Falls Sie Pferde halten, informieren Sie sich bitte umfassend über die artgerechte Haltung der liebevollen Tiere. Berücksichtigen Sie ihre Bedürfnisse und verzichten Sie auf «Hilfsmittel» wie scharfe Gebisse oder den Einsatz von Gerten und Peitschen. Klären Sie bitte auch Familie, Freunde und Bekannte über das Thema auf.
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QUELLEN
[1] Michael Darmanin: Prolonged awkward neck positions linked to higher stress levels in equestrian horses, https://www.utrechtcentral.com/news/research-developement/prolonged-awkward-neck-positions-linked-to-higher-stress-in-equestrian-horses-78223/, (eingesehen am 21.01.2021)
[2] Schweizer Bauer: «Viele Pferde stehen 23 Stunden in der Boxe»,
https://www.schweizerbauer.ch/tiere/pferde/viele-pferde-stehen-23-stunden-in-der-boxe/, (eingesehen am 22.01.2021)