In der Schweiz gilt für einige Seen das Freiangelrecht. Das bedeutet, dass an diesen Gewässern jeder angeln darf – auch ohne Sachkundenachweis oder Patent. Dies ist beispielsweise am Bodensee, Zürichsee, Genfersee und mehreren kleineren Seen der Fall. Das Freiangelrecht verursacht jedoch meist viel Tierleid, da ohne jegliches Wissen über die Biologie und Anatomie von Fischen geangelt werden darf. Die Angler müssen sich zwar an Bestimmungen wie Schonzeiten oder Fangzahlbeschränkungen halten, doch ohne vorherige Wissensvermittlung, Prüfung und Kontrollen leiden die Fische noch mehr als ohnehin schon.
Wieso ist das Freiangelrecht ein Problem?
An Seen mit Freiangelrecht darf man vom Ufer aus mit einer Angel oder Schnur angeln. Lebendköder oder Widerhaken sind verboten. [1] Doch bereits Angelhaken ohne Widerhaken verletzen Fische an ihrem sensiblen Mund oder an anderen Körperstellen. Die Tiere leiden enorm, wenn sie mit ihrem gesamten Körpergewicht an einem Haken hängen und an die Luft gezogen werden, wo sie nicht atmen können. Laut Vorgaben dürfen einige Fischarten nur ab einer bestimmten Grösse gefangen werden, was dazu führen kann, dass viele kleinere Fische teilweise verletzt und traumatisiert wieder zurück ins Wasser geworfen werden. [1] Eine Studie zeigte, dass nach Catch and Release teils mehr als 40 Prozent der zurückgesetzten Forellen starben. [2] Ursachen hierfür sind innere oder äussere Verletzungen, Temperaturunterschiede oder Druckabfall. Viele Tiere werden auch zur leichten Beute für andere Fische, weil sie nach dem Fang benommen und traumatisiert sind. Angler erkennen an den Narben gefangener Fische, dass diese bereits mehrfach Opfer von Catch and Release wurden. Nicht ohne Grund ist Catch and Release in der Schweiz grundsätzlich verboten.
Auch dürfen insgesamt zwölf geschützte Fischarten in der Schweiz nicht geangelt werden. Für andere Fischarten gibt es wiederum Schonzeiten, in denen sie ebenfalls nicht getötet werden dürfen. [1] Doch welcher Fisch in den Köder beisst, kann der Angler vom Ufer aus nur schwer kontrollieren. Daher werden auch diese Fische trotz Verletzung wieder zurück ins Wasser geworfen, oder die geschützten Fische werden durch fehlendes Wissen des Anglers nicht erkannt und trotz Schutzstatus getötet. Bei anderen Fischarten wie dem Lachs muss der Fang dokumentiert werden, oder es gibt vorgegebene Fangzahlbeschränkungen. Doch nicht jeder Freiangler wird auch kontrolliert.
Ebenso ist der «waidgerechte Umgang» mit den Fischen – also das Töten – gesetzlich geregelt. [3] Freiangler müssen sich eigenständig darüber informieren. Doch selbst wenn sich die Angler tatsächlich mit der Lektüre des Gesetzestexts befassen, so schützt das die Fische keineswegs vor enormem Leid, hervorgerufen durch fehlende oder fehlerhafte Betäubung, einem misslungenen Kiemen- oder Herzstich und dem Aufschneiden des teils unvollständig oder gar unbetäubten Fisches.
Verhindert der Sachkundenachweis Tierleid?
Laut Angaben des Schweizerischen Fischerei-Verbands verfügen von 140‘000 Anglern in der Schweiz 110‘000 über den «Sachkundenachweis Fischerei» (Stand 2016). [4] Demnach haben 30‘000 Angler kein geprüftes Fachwissen über das Fischen und die damit verbundenen Tierschutzbestimmungen. Würde also die Einführung eines verpflichtenden Sachkundenachweises das Leid der Fische verringern?
In der Schweiz muss man einen halbtägigen Kurs absolvieren, um den «Sachkundenachweis Fischerei» zu erwerben. Die Kosten betragen meist zwischen 50 und 60 Franken, mit Kauf der Unterlangen ca. 100 Franken. [1] Dies ist ein verhältnismässig geringer Aufwand. Im Vergleich: Der Angelschein in Deutschland setzt einen 30-stündigen Kurs voraus und kostet mehrere hundert Euro. Doch beide Nachweise verringern das Leid der Fische nicht oder nur wenig, denn Angeln ohne Tierleid ist nicht möglich.
Es gibt kein tierfreundliches Angeln
Egal, wie man Fische angelt – es gibt keine tiergerechten Methoden ohne Angst und Schmerz für die Opfer. Immer wird der Fisch in eine Falle gelockt, und ein Haken bohrt sich durch seinen Mund oder in den Rachen, das Auge, den Magen oder in die Kiemen [2], und er wird aus dem Wasser an Land gezogen, wo er nicht atmen kann. Man sieht den Fischen das Leid an, wenn sie zappeln und nach Luft ringen. Dann werden sie mit einem mehr (oder weniger) gezielten Schlag auf den Kopf betäubt und mit einem Messer getötet. Da zahlreiche Studien bereits gezeigt haben, dass Fische Angst und Schmerzen fühlen, gibt es keine artgerechte Tötungsmethode. [5, 6] Angeln bedeutet immer Tierleid.
Setzen Sie auf tierfreundliche Alternativen
Ob wandern, campen oder Fahrrad fahren – es gibt unzählige Möglichkeiten, die Natur zu geniessen, ohne dabei Tiere zu töten. Wenn Sie etwas Gutes für den Naturschutz tun wollen, können Sie Müllangeln gehen und so die Gewässer von gefährlichem Abfall säubern. Sie interessieren sich für Wildtiere? Dann beobachten Sie heimische Vögel oder erkunden Sie die Fischwelten der Seen und Flüsse vom Kanu aus.
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QUELLEN
[1] Nachhaltig leben (2021): Fischen in der Schweiz: Vom Freiangeln, Tagespatent und Angelschein, https://www.nachhaltigleben.ch/freizeit/fischen-in-der-schweiz-ohne-patent-mit-angelschein-tipps-4218, (eingesehen am 19.03.2021)
[2] Shawn P. Sitar, Travis O. Brenden, Ji X. He & James E. Johnson: Recreational Postrelease Mortality of Lake Trout in Lakes Superior and Huron, https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/02755947.2017.1327903, (eingesehen am 19.03.2021)
[3] Alpenforelle: Freiangelrecht in der Schweiz, https://alpenforelle.ch/freiangelrecht-schweiz/, (eingesehen am 19.03.2021)
[4] Der Alpenfischer (29.05.2016): SFV – Fischer pochen auf mehr Tierschutz, https://www.alpenfischer.com/sfv-fischer-pochen-auf-mehr-tierschutz/, (eingesehen am 19.03.2021)
[5] Sneddon, Lynne U. (2019): Evolution of nociception and pain: evidence from fish models. In: Philosophical Transactions of the Royal Society B. London: The Royal Society
[6] Balcombe, Jonathan (2016): What a Fish Knows: The Inner Lives of Our Underwater Cousins. New York: Scientific American / Farrar, Straus and Giroux