Trinkwasser- und Pestizid-Initiative: Infos zur Volksabstimmung

Am 13. Juni 2021 kommen mehrere eidgenössische Volksinitiativen zur Abstimmung – darunter die Initiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – Keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz» (kurz «Trinkwasser-Initiative») und die Initiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» (kurz «Pestizid-Initiative»).

In diesem Beitrag erfahren Sie, worum es bei diesen beiden Initiativen geht.

Inhaltsverzeichnis:

Wie kam es zur Trinkwasser-Initiative?

Die Einsicht, dass in der Schweizer Landwirtschaft dringender Handlungsbedarf besteht, führt die Initiantin der Trinkwasser-Initiative Franziska Herren auf ein spezifisches Erlebnis zurück – die Begegnung mit einer Mutterkuh, die nach ihrem neugeborenen Kalb rief, das ihr kurz davor entrissen wurde. «Sie hat gebrüllt und war offensichtlich traurig über den Verlust ihres Kindes.» [1] Die Trennung von Mutterkuh und Kalb ist gängige Praxis in der Milchindustrie, damit der Mensch die für das Kalb vorgesehene Milch trinken kann. Herren war schockiert über diese Tatsache und dass diese Praxis auch in der Bio-Landwirtschaft Normalität ist. Dieser Anlass bewegte sie dazu, Recherchearbeiten zu Themen der Schweizer Tier- und Landwirtschaft durchzuführen – von Stallgrössen zu Futtermitteln. [1, 2]

Franziska Herren kam unter anderem zu der Erkenntnis, dass keine andere Lobby so viel direkte Macht in der Bundespolitik hat wie die Landwirtschaft, und dass deshalb in diesem Sektor von Seiten der Politik wenig Handlungsbedarf herrscht. Obgleich in der Landwirtschaft weniger Menschen tätig sind, als Basel-Stadt Einwohner hat, stellt sie 26 Nationalräte, drei Ständeräte und zwei Bundesräte. Bei ihren Recherchen stiess Herren zudem auf das dramatische Insektensterben, die Versauerung der Böden und die Wasserbelastung mit Antibiotikarückständen und Nitrat. Als sie realisierte, dass auch sie dieses durch die Landwirtschaft kontaminierte Wasser trinkt, rief sie ihre Initiative ins Leben. [2]

Kornfeld
Trinkwasser entsteht zum grossen Teil durch die Versickerung des Regens auf landwirtschaftlich genutzten Böden.

Was fordert die Trinkwasser-Initiative?

Das Ziel der Trinkwasser-Initiative liegt darin, dass der Bund einen wesentlichen Beitrag für eine nachhaltigere Landwirtschaft leisten muss, um die Bevölkerung vor Belastungen mit Antibiotika, Pestiziden und Nitrat zu schützen und mit gesunden Lebensmitteln und sauberem Trinkwasser zu versorgen.

Hierzu strebt die Initiative eine Umlenkung der Subventionen an, bei der umweltschädigende Produktionsweisen nicht wie bisher mit Direktzahlungen und weiteren Subventionen gefördert werden sollen. Messungen des Bundes zeigen, dass das Trinkwasser an vielen Orten der Schweiz bereits belastet ist. Dennoch unterstützt der Bund die Landwirtschaft jährlich mit massgeblichen Subventionen und fördert in der jetzigen Form so auch die Wasser- und Umweltverschmutzung.

Herren betont, dass diese Wasser- und Umweltverschmutzung auch mit Steuergeldern vorangetrieben wird. [2] Von den 2,8 Milliarden Franken, mit der die Steuerzahlenden die Nahrungsmittelproduktion finanzieren, entfallen lediglich 18 Prozent auf die Pflanzenproduktion, jedoch 82 Prozent auf die Tierproduktion. [3] Da das heutige System der Direktzahlungen Fehlanreize schafft, setzt die Initiative in Bezug auf diese Gelder einen neuen Anreiz, um die landwirtschaftliche Praxis grundlegend zu ändern. Landwirtschaftsbetriebe müssen die Anforderungen nicht umsetzen, erhalten dann jedoch keine Direktzahlungen. [4]

Die Bedingungen an Landwirtschaftsbetriebe zum Erhalt von Direktzahlungen werden an drei Kriterien gemessen [4]:

  • Produktion ohne Pestizide/Pflanzenschutzmittel
  • Begrenzung des Bestands auf eine Tieranzahl, die mit im eigenen Betrieb erzeugten Futtermitteln ernährt werden kann
  • Weder prophylaktischer noch regelmässiger Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung

Zudem soll die vom Bund geförderte Ausbildung, Beratung und Forschung so ausgerichtet werden, dass die Nahrungsmittelproduktion ohne Pflanzenschutzmittel und Antibiotika auskommt. [4]

Der Bund hat 2008 Umweltziele für die Landwirtschaft festgelegt. Laut einem 2016 veröffentlichten Bericht wurden diese Ziele jedoch bisher in keinem der 13 untersuchten Bereiche der Umweltgesetzgebung erreicht und lassen sich mit den heutigen Massnahmen auch in Zukunft nicht umsetzen . Ein Grossteil der Direktzahlungen an die Landwirtschaft ist nicht an die festgelegten Umweltziele gekoppelt. Die Trinkwasser-Initiative fordert somit keine weitergehenden Umweltziele oder Verbote, sondern wirksame Massnahmen. Auf diese Weise sollen die bestehenden gesetzlichen Ziele besser erreicht, der Verfassungsauftrag erfüllt und die Steuergelder in eine gewünschte nachhaltige Entwicklung der Produktion gelenkt werden. Es geht also um die Umsetzung einer Landwirtschaft, die die Politik seit Jahren verspricht – gesunde Lebensmittel und sauberes Trinkwasser. [5]

Welche Probleme verursachen Pestizide?

In der Landwirtschaft werden Dünger und Pestizide zum Schutz von Ernten und zur Steigerung der Erträge eingesetzt. Die Forschung dokumentiert jedoch vermehrt, dass diese Stoffe die Umwelt belasten und es ohne Pestizide nicht zwingend zu Ertragsverlusten kommen muss. 2019 kam das Bundesamt für Umwelt (BAFU) zu dem Schluss, dass Stoffe aus der Landwirtschaft das Grundwasser «verbreitet und nachhaltig» beeinträchtigen. An jeder zweiten Messstelle wurden Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln gefunden. 80 Prozent des Schweizer Trinkwassers wird aus dem Grundwasser bezogen. Zwar sei dieses laut BAFU noch nicht in Gefahr, doch die Umweltfachstelle betont, dass dies nicht mehr selbstverständlich sei und diese Ressource vermehrt unter Druck gerät. Dies verdeutlicht auch der Fall des Fungizids Chlorthalonil, das seit 2020 in der Schweiz verboten ist. Dennoch können weiterhin Rückstände im Wasser nachgewiesen werden – wahrscheinlich noch für Jahre und Jahrzehnte. [4]

Kornfeld wird mit Pflanzenschutzmitteln besprüht
Pestizide erhöhen die Erträge, indem sie Pflanzen vor Schädlingen und Krankheiten schützen. Doch all das geschieht auf Kosten der Umwelt.

Auch die Tier- und Pflanzenwelt bzw. ihre Lebensräume sind von Pestiziden aus der Landwirtschaft betroffen. Pflanzenschutzmittel werden im Agrarwesen flächendeckend eingesetzt, wodurch nicht nur «Schädlinge» getötet werden, sondern auch «Nützlinge», die als Bestäuber und natürliche Feinde der «Schädlinge» von Bedeutung sind. Durch die Verminderung der Insekten und ihrer Pflanzenbestäubung geraten auch unsere Nahrungsmittel und die Bodenfruchtbarkeit in Gefahr. Die systematische Vernichtung von «Unkräutern» kann zudem zu einem reduzierten Nahrungsangebot für Insekten führen, was zur Folge hat, dass es weniger Insekten gibt und dadurch weniger Insektenesser wie Vögel. In Gewässern gefährden Pestizide Lebewesen wie Wasserinsekten und somit auch insektenessende Fische. [6]

Warum werden Futtermittel thematisiert?

In der Schweiz werden jährlich über 76 Millionen Landtiere für den menschlichen Konsum getötet. [7] Da die Schweiz für diese immense Zahl an sogenannten Nutztieren nicht genügend Futtermittel produzieren kann, werden diese aus dem Ausland importiert – 1,2 Millionen Tonnen jährlich. Die Tierbestände in der Schweiz werden somit durch Importfutter künstlich hochgehalten, was die Umweltzerstörung fördert, beispielsweise durch den Ausstoss von Treibhausgasen wie Methan. Zudem treibt der Konsum von Tierprodukten die Regenwaldabholzung für den Futtermittelanbau an. Wie die Zahlen aufzeigen, sind die als «Schweizer Fleisch» beworbenen Tierprodukte stark von ausländischen Futtermitteln abhängig. Laut der Initiantin der Trinkwasser-Initiative könnten 50 Prozent des Schweizer Fleisches und 70 Prozent der Eier und des Hühnerfleischs aus der Schweiz nicht mehr ohne Importfutter «produziert» werden. [8] Nach der geplanten Initiative sollen Landwirtschaftsbetriebe keine Direktzahlungen mehr erhalten, wenn sie von Importfutter abhängig sind, oder müssen ihren Tierbestand verkleinern. Futter und Hofdünger können jedoch regional zugekauft oder Betriebsgemeinschaften gebildet werden – ein Hof kann beispielsweise Tiere halten und ein anderer Betrieb Nahrung für die Tiere produzieren. [9] Die gesamte «Produktion» von Hühner- und Schweinefleisch würde bei einer wortgetreuen Umsetzung keine Subventionen mehr erhalten. [4]

In der Schweiz werden Millionen sogenannter Nutztiere ausgebeutet und mit Importfutter ernährt, das einen hohen Nährstoffgehalt aufweist. Dies führt unweigerlich zur massenhaften Produktion von Gülle und Mist. In der Folge bringt die Schweizer Tierwirtschaft mehr tierische Exkremente als Dünger auf den Feldern aus, als die Pflanzen aufnehmen können – über 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen werden überdüngt. Jedoch erhalten genau diese Betriebe Subventionen: Über ein Viertel des Stickstoffs, den die Landwirtschaft alleine in Form von Gülle und Mist auf den Feldern ausbringt, basiert auf Futtermittel-Importen. [10] Der überschüssige Stickstoff kann im Boden zurückbleiben, in Nitrat umgewandelt werden und ins Grundwasser und somit schliesslich ins Trinkwasser gelangen. Zudem dünstet aus der Gülle unter anderem Lachgas aus, welches das Umweltgift Ammoniak bilden kann. Dies treibt den Klimawandel voran, erhöht die Feinstaubbelastung, schädigt die Biodiversität und kann in Böden und Gewässer gelangen. [4] Nach den Niederlanden verursacht die Schweiz die höchsten Ammoniakemissionen. [11] Gemäss der Initiantin der Trinkwasser-Initiative enthalten importierte Futtermittel 24 Prozent des gesamt verfütterten Stickstoffs – bei Schweine- und Hühnerfleisch sogar 60 Prozent bzw. 80 Prozent. [5]

Kühe fressen Futter
Für die Haltung sogenannter Nutztiere wird eine unvorstellbar grosse Menge an Futtermitteln benötigt.

Was hat es mit der Antibiotikagabe von Tieren auf sich?

Um den grossen Appetit der Schweizer Bevölkerung auf Fleisch und andere tierische Produkte zu stillen, werden Millionen von Tieren zusammengepfercht in Ställen und Agraranlagen gehalten. Damit sie bis zu ihrer Tötung im Schlachthof überhaupt am Leben bleiben, erhalten die Tiere Antibiotika. Zum einen ist dies erforderlich, weil sie auf eine möglichst hohe Leistung gezüchtet wurden, was ihre Gesundheit beeinträchtigt. Zum anderen erfolgt die hohe Antibiotikagabe aufgrund der unhygienischen Zustände in den Anlagen, einer oftmals mit Ammoniak verseuchten Stallluft und nicht artgerechten Haltungsbedingungen. Verglichen mit dem umliegenden Ausland ist der Antibiotika-Einsatz in der Schweiz sehr hoch. [5]

Mit dem Medikament werden jedoch nicht nur Tiere behandelt, die wirklich krank sind. Meist wird es dem gesamten Tierbestand prophylaktisch verabreicht, denn wenn Hunderte oder Tausende Tiere in einem Stall leben, können sich krank machende Keime schnell ausbreiten. Die vermehrte Antibiotikagabe führt dazu, dass sich Resistenzen leicht entwickeln können, wodurch eines, mehrere oder alle Antibiotika nicht mehr wirken. Dieser Punkt ist in der Tierwirtschaft bereits erreicht, denn selbst Reserveantibiotika, die in Krankenhäusern als letztes Notfallmedikament zum Einsatz kommen, werden den Tieren verabreicht. Ein grosser Teil dieser Antibiotika wird von den Tieren unverändert wieder ausgeschieden und kann über die Gülle auch ins Grundwasser und somit ins Trinkwasser gelangen.

Was fordert die Pestizid-Initiative?

Die Initiative fordert ein Verwendungsverbot von synthetischen (im Labor hergestellten) Pestiziden in der landwirtschaftlichen Produktion, der Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und in der Boden- und Landschaftspflege. Zudem soll ein Einfuhrverbot von Lebensmitteln gelten, die synthetische Pestizide enthalten oder mithilfe solcher hergestellt wurden. Somit richtet sich die Pestizid-Initiative nicht nur gegen synthetische Pflanzenschutzmittel, die in der Landwirtschaft angewandt werden – auch im heimischen Garten dürfte von chemischen Unkrautvernichtern nicht mehr Gebrauch gemacht werden. [12]

Über 85 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen der Schweiz werden für den konventionellen Anbau genutzt – nur 15 Prozent verbleiben für den biologischen Anbau ohne synthetische Pestizide. Laut der Initiantin der Trinkwasser-Initiative könnten die gesamten Flächen in biologischen Anbau umgewandelt und der Verlust kompensiert werden. Da biologisch angebaute Produkte teurer sind als konventionelle, strebt die Initiative an, dass Bioprodukte für alle zugänglich gemacht werden und sich die Bevölkerung damit gesund und nachhaltig ernähren kann. [13]

Nebst der zuvor geschilderten Verstärkung von Umwelt- und Wasserverschmutzung durch Pestizide steht die Wirkung von Pestizidrückständen laut zahlreichen Studien im Verdacht, Krebs und Diabetes Typ 2 zu fördern, die Zellteilung zu stören, das Immunsystem zu beeinträchtigen, Allergien auszulösen und das Erbgut zu verändern. Diese Risiken bestehen bei chronischer Exposition selbst bei kleinen Mengen. Die Pestizide können in den Boden und ins Wasser gelangen, wo sie von Pflanzen und Tieren aufgenommen werden. Letztlich können Pflanzenschutzmittel so auf unseren Tellern landen. [13, 14]

Vater mit Kindern im Blumenfeld
Viele Pestizide haben negative Folgen für die menschliche Gesundheit – insbesondere bei Kinder.

Worin unterscheiden sich die Initiativen?

Grundsätzlich verfolgen die beiden Initiativen ein ähnliches Ziel – eine nachhaltigere Landwirtschaft. Sie unterscheiden sich jedoch in ihren konkreten Forderungen: So bezieht sich die Pestizid-Initiative im Gegensatz zur Trinkwasser-Initiative nicht nur auf die inländische Produktion, sondern auch auf die Importe. Die Trinkwasser-Initiative hingegen beschränkt sich nicht «nur» auf den Pestizideinsatz, sondern umfasst auch Aspekte wie Antibiotikagabe und Futtermittel bei sogenannten Nutztieren sowie Überdüngung. Daneben nimmt sie im Gegensatz zur Pestizid-Initiative auch Direktzahlungen ins Visier. Die Realisierung der Trinkwasser-Initiative müsste innerhalb von acht Jahren nach Annahme erfolgen, die der Pestizid-Initiative innerhalb von zehn Jahren. [12]

WAS SIE TUN KÖNNEN

  • Stimmen Sie auf politischer Ebene im Namen von Mensch, Tier und Umwelt ab.
  • Und auch im privaten Bereich können Sie ein Zeichen setzen, indem Sie sich vegan ernähren. Das kostenlose Veganstart-Programm unterstützt Sie beim spielend leichten Umstieg.